„Hereinmarschiert!“, dröhnt es aus dem Inneren des Künstlerzimmers. Nacheinander strömen wir in den dunklen Raum. Augenblicklich sollen wir uns in zwei geordneten Kreisen rotierend im Raum bewegen. Hektik bricht aus, weil sich unser Tempo der grotesken Hintergrundmusik anzupassen versucht, die einen alten Schwarz-Weiß-Film untermalt.

Plötzlich bleibt alles stehen. Wir werden aufgefordert, uns um die Hocker in der Mitte des Raumes zu gruppieren und den folgenden Arbeitsanweisungen nachzugehen. Langsam aber sicher spüre ich, wie sich mein Herzschlag beschleunigt. Der Schweiß rinnt mir bereits über den Rücken. In einer bequemen Sitzhaltung – kniend –, einer angenehmen Arbeitsatmosphäre, – so angenehm wie vergleichsweise im Big Brother Haus –, arbeiten wir nun bemüht an der Produktion kleiner Papierboote, anstatt wie gewöhnlich den monotonen Nachmittagsgeschichtsunterricht zu genießen. Uns bleiben lediglich 15 Minuten Zeit, um in kleinen Formationen von ca. acht Personen 80 der kleinen Boote in präziser Handarbeit anzufertigen.

Ich beginne mich zu fragen, wozu ein solches Aufgebot reizender Papierkunst dienen sollte. Von der fehlenden Beleuchtung, dem irritierenden Hintergrundflimmern, der drückenden Luft und den gellenden Befehlen der Kommandanten einmal abgesehen weiß ich nicht, wie ich es anstellen soll, dass am Ende jedes meiner Boote „Befehl: gleich und ohne jeglichen Anschein von individueller Kreativität“ aussehen soll. Doch sobald mir auch nur der Gedanke kommt, meine Arbeit für einen kurzen Moment zu unterbrechen, steht bereits ein*e Kommandant*in hinter mir und denunziert mich als Arbeitsverweigerin. Er begutachtet meine zitternden Finger, die sich fast in meiner Papierkonstruktion, – die im Übrigen nur mit viel Fantasie als Boot identifiziert werden kann, – verknoten.

Die erbarmungslosen, uniformierten Befehlshaber*innen, die für unsere Bemühungen nur abfällige Kommentare übrig haben, bestärken mich nicht gerade in meiner aufkommenden Lustlosigkeit, die langsam der Panik weicht. Mein Unwohlsein verstärkt sich unter der permanenten Beobachtung zunehmend. Scharfe Zurechtweisungen schallen durch den Raum. Zur Belohnung dürfen wir uns endlich in einer einminütigen Pause erholen, die aber damit vergeht, dass uns armen Proletariern weitere Anweisungen zugebrüllt werden.

Bezahlt werden wir jenseits aller Gleichberechtigung und Emanzipation in Naturalien: Frauen bekommen nichts, Männer je nach Sympathie entweder eine oder zwei Erdnüsse. Rückblickend kann ich nur darüber staunen, wie unmenschlich und kräftezehrend der harte Arbeitsalltag in der Klassengesellschaft ausgesehen haben muss. Die Work-Life-Balance und gesicherte Arbeitnehmer*innenrechte sind dann doch Errungenschaften, denen in meinem Leben hoffentlich bleibender Einzug gewährt wurde.

Jessica Figlus (Redaktion Blog)