Mein fliegendes Künstlerzimmer fühlt sich oft an wie das Meer mit Ebbe und Flut. Da das Atelier direkt auf den Pausenhof blickt, kommt die erste Flut spätestens zur ersten Pause. 

Zack und es ist voller Kinder. Manche wollen nur mal gucken, sich aufwärmen und andere kommen gleich mit einem Plan („Meine verlängerte Papphand ist schon ganz zerfetzt – ich muss sie unbedingt erneuern! Eva! Wo ist der Block mit dem karierten Papier, ich muss dir meine neue 3D- Zeichnung zeigen! Wo ist denn jetzt der Styroporschneider? Wie geht denn das? Darf ich auch? Ohje, jetzt hat schon gegongt! Aber die Lehrerin ist noch nicht da, komm wir bleiben noch…“) oder sie schauen und zeigen sich gegenseitig, was sie hier bereits alles gemacht haben. 

Wenn das letzte Kind rausrennt, kehrt eine unnatürliche Ruhe ein. Denn vom Schulgebäude brodelt es bedingungslos weiter und hin und wieder schwappen einzelne Klassen wie Wellen herüber. Dann entwickeln wir geheime Rituale der Freundschaft und Gemeinschaft, zeichnen unseren Atem, werden leise und laut, gucken uns Bilder, Filme, Dinge und dadurch uns selbst an und lernen: Das Leben ist ganz schon kompliziert, aber gefallen tut es uns trotzdem! 

Das fliegende Künstlerzimmer muss dafür immer angepasst werden. Die Tische wandern von einem Eck ins nächste, werden zusammen und wieder auseinander geschoben. Die Leiter ausgeklappt, die Plane auf den Boden ausgebreitet und zu guter Letzt: Kehren! Nach jeder Welle muss gekehrt werden! Denn wir sind viele und wir hinterlassen Spuren. 

Wenn jede:r einzelne Schüler:in nach Hause gegangen ist, wird es ruhiger. Zwar sind noch immer unterschiedliche Menschen am Schulgelände unterwegs, aber die vier Bachstelzen und die eine Elster trauen sich nun so langsam wieder über den Pausenhof zu hüpfen. Mit ihnen teile ich meine Aussicht gerne. 

Am Abend wird es dann erst gänzlich still. Hie und da hört man das Fussballtraining vom Sportplatz nebenan, aber das fliegende Künstlerzimmer darf jetzt endlich nur meine Höhle sein.

Eva Funk, fliegende Künstlerin