„Das Fliegende Künstlerzimmer“ – ein Kommentar von Mia
Ich heiße Mia, bin 14 Jahre alt und komme aus Gießen in Mittelhessen. Im Moment fahre ich jeden Tag mit dem Zug nach Frankfurt zur Crespo Foundation, wo ich gerade ein Praktikum mache und mich mit dem Projekt „Das Fliegende Künstlerzimmer“ beschäftige. Ich habe die Chance bekommen, einen Beitrag für den Blog „Das Fliegende Künstlerzimmer“ zu schreiben. Da sich das Projekt an der Wollenbergschule dem Ende zuneigt, hatte ich die Idee, einen Kommentar aus der Perspektive von mir als Schülerin zu schreiben.
Ein ganzes Schuljahr begleitete der Künstler Jan Lotter die Wollenbergschule in Wetter. Dabei sind, wie ich finde, faszinierende Projekte entstanden, die im normalen Schulalltag eigentlich keinen Platz finden würden. Mit dem Projekt „Das Fliegende Künstlerzimmer“ schaffte man an der Wollenbergschule Platz für Kreativität und Fantasie.
„Wer bin ich?“
Die Klassen der Schulen bekamen die Chance, mit dem Künstler Jan Lotter diverse Projekte zu erstellen. Es entstanden verschiedenste Arbeiten. Eine Deutschklasse beschäftigte sich gemeinsam mit dem Künstler und dem Lehrer mit der Frage: „Wer bin ich?“. Dazu wurde eine Zeichnung entworfen, bei der der Bauchnabel das gedachte Zentrum jedes*jeder Schüler*in ist. Durch eine bestimmte Art des Zeichnens entstand ein skurriles Gebilde, über das viel philosophiert wurde und in das man viel hineininterpretieren konnte.
Es ist beeindruckend, wie weit man das Fach Deutsch ausdehnen kann und wie wichtig es ist, dass man unterschiedliche Künste in die allgemeine Bildung einfließen lässt. Diese Art des Unterrichts ist weit davon entfernt, wie in den meisten Schulen die einzelnen Themen des Faches Deutsch behandelt werden. Ich finde, dass viele Schulen sich etwas von diesem Projekt abschauen können, da es meiner Meinung nach sehr wichtig ist, dass Schulbildung auf dem neusten Stand ist und auch Lehrer*innen in Sachen ästhetischer Bildung kontinuierlich weitergebildet werden. Es ist in meinen Augen erschreckend, wie im Fach Deutsch versucht wird, die einzelnen Themen den Schüler*innen nahe zu legen: Allein mit Grammatik und Rechtschreibaufgaben aus dem Arbeitsheft oder Abschreib-Texten von der Tafel. Ich habe das Glück, dass meine Deutschlehrerin sich viel Mühe mit der Gestaltung ihres Unterrichts gibt und unsere Klasse fortwährend in die Unterrichtsgestaltung mit einbezieht. Ich wünsche mir, dass das an allen Schulen Hessens selbstverständlich wird.
Aus Namen können ganze Lieder entstehen
Eine andere Klasse im fliegenden Künstlerzimmer beschäftigte sich mit Rhythmen und elektronischen Klangerzeugnissen. Eine der Gruppen kam auf den Gedanken, ein Lied aus ihren Namen zu basteln. Diese Idee, die eigentlich sehr simpel erscheint, beweist doch große Kreativität. Durch langsames, schnelles oder zerstückeltes Einsprechen der Namen entstehen unterschiedliche Rhythmen. Die meisten Schüler*innen können ihre Innovationskraft in ihrer Schullaufbahn fatalerweise nicht ausleben, wegen des veralteten, theoretischen Musikunterrichts, den die meisten Schulen immer noch anbieten. Meiner Meinung nach bringen einen die ganzen Fachbegriffe und theoretischen Aufgaben im Fach Musik nicht weiter im Leben, wenn man noch nie auf eine Klaviertastatur gedrückt hat. Es ist wichtig, dass im Musikunterricht auch Musik gemacht wird, um jedem Kind die Chance zu geben, sich an einem Instrument auszuprobieren oder andere musikalische Talente zu finden. Das muss in der Schule Platz finden, wo man sich mehr als die Hälfte des Tages aufhält. Das Projekt zeigt, dass man aus wenigen Worten einzelne Rhythmen oder sogar Lieder entstehen lassen kann.
Was würde Martin Luther wohl heute machen?
Eine andere Klasse beschäftigte sich mit dem Thema, was Martin Luther heute machen würde und worüber er reden würde. Während dieser Arbeit entstanden viele Ideen, z.B. ein Comic über Martin Luther oder eine fach-und sachgerechte Bewertung der negativen und positiven Aspekte der eigenen Schule. Ich finde es sehr interessant, dass die Lehrer*innen dies toleriert haben. Oft gehen Lehrkräfte auf Kritik oder Ideen von Schüler*innen nicht ein. Sie werden abgewiesen, nicht ernst genommen oder auch einfach ignoriert. Besonders die Tatsache, dass Lehrkräfte Schüler*innen manchmal nicht ernst nehmen, finde ich sehr schade, weil Schüler*innen meist sehr gute und auch umsetzbare Ideen haben, die den Schulalltag für alle sicherlich bereichern würden. Es gibt in meinen Augen noch zu wenig Lehrer*innen, die die Interessen der Schüler*innen aktiv umsetzen und intensiv an der Verbesserung der Schule arbeiten wollen. Trotz meiner harten Kritik weiß ich, dass es durchaus Lehrer*innen gibt, die sich mit der Umsetzung von Ideen der Schüler*innen befassen und auch die Vorschläge, die bei der Kritik entstanden sind, umzusetzen versuchen.
Am Ende dieses Beitrages möchte ich noch einmal betonen, dass „Das Fliegende Künstlerzimmer“ in meinen Augen ein rundum gelungenes Projekt ist, welches Schulen die Chance gibt, neue Methoden der Bildung auszuprobieren und anzuwenden. Ich hoffe, dass die Wollenbergschule viel von dem Projekt gelernt hat und die Lehrkräfte die neu dazu gewonnenen Ideen umsetzen. Ich freue mich, dass auch nächstes Schuljahr eine Schule die Möglichkeit bekommt, Teil dieses spannenden Projekts zu sein.
Mia (Schülerpraktikantin Crespo Foundation)