Am 15. Januar 2019 nahm ich mit einigen Mitschüler*innen aus dem Kurs „Kreatives Schreiben“ von Frau Matzen an einer Exkursion nach Frankfurt teil. Der Künstler Jan Lotter hatte uns dazu eingeladen, Menschen aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis an ihrem selbst geschaffenen Arbeitsort zu besuchen. Ziel dieser Exkursion sollte es sein, die Lebenseinstellung fünf verschiedener Künstler kennen zu lernen und zu sehen, dass man – wenn man sich von seinen Visionen leiten lässt – diese auch verwirklichen und leben kann. Mit gemischten Gefühlen bin ich in den Tag gestartet und habe mir Gedanken gemacht, wie er wohl werden würde.

MARC …
Als erstes besuchten wir Marc, der ein Designbüro mit Atelier und Holzwerkstatt besitzt (buero.us für Gestaltung). Durch seine Erzählung über seinen Werdegang wurde mir klar, dass es sein Ziel war, seine Talente zu nutzen und in Projekten zu verwirklichen. Kurz vor seiner Abiturprüfung brach Marc die Schule ab und begann eine Ausbildung zum Buchhändler – ein Job, in dem er sieben Jahre lang arbeitete. Es folgten verschiedene Praktika als Fotograf und Grafikdesigner. Mit einer Mappe bewarb er sich schließlich an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, an der man bei entsprechender Begabung auch ohne Abitur studieren kann. Danach fing Marc an, sich sein heutiges Standbein aufzubauen.

Marc erzählte uns, dass er in der Anfangszeit fünf Nebenjobs gehabt habe, allein um für die Miete seines Ateliers aufkommen zu können. Ich merkte bald, dass Geld für ihn nicht das war, was ihn zufrieden machte. Sein Ziel war es, glücklich zu sein und seinen Beruf mit Leidenschaft und Liebe auszuüben – und das merkte man ihm auch an. In seinem Büro arbeiten stets vier bis sechs Angestellte an nationalen wie internationalen Designprojekten: vom Klingelton (Sounddesign) über den Bau von Modellen (z.B. eine 17 Meter lange Titanic) bis hin zum Programmieren eines virtuellen Museumsgangs ist alles dabei, weil Marc alles als Design begreift. An seinen Erzählungen merkte ich, dass er immer wieder neue Herausforderungen sucht und auch nie ausgelernt haben wird, weil sein Beruf so vielseitig ist. Ich glaube, für mich war das Wichtigste zu sehen, dass man mit Ehrgeiz und Zielstrebigkeit alles erreichen kann.

BOB …
Der nächste Künstler, den wir besuchten, hieß Bob. Er ist ein dunkelhäutiger, in Ägypten geborener, Mann, der einen Barber-Shop führt (Bob Kebede, Hairbase). Mein erster Eindruck von Bob war, dass er besonders lässig und cool wirkt. Er spricht fünf Sprachen. Parallel zum Abitur hat Bob seine Ausbildung zum Friseur absolviert. Bevor er seine Leidenschaft, Haare zu schneiden, jedoch zum Beruf machte, hat er noch studiert. Bob begreift seinen Barber-Shop als lebendiges Atelier, seine Haarschnitte begreift er als Kunstwerke. Bob erzählte uns, dass seine Kunden – es sind dies hauptsächlich Männer – Menschen der verschiedensten Nationen seien.

Mit seiner coolen Art kommt Bob sehr gut an. Ich stellte fest, dass er sich für jeden Menschen Zeit nahm und dies wurde mir auch von Kundenseite bestätigt. Einer seiner Kunden sagte, dass er sich bei Bob sehr wohl fühle, weil man nicht wie eine Ware abgespeist würde, sondern eine familiäre Stimmung in dem Laden herrsche. Auch hier wurde mir wieder klar, wie sehr dieser Künstler seinen Beruf liebt und Geld allein ihn nicht glücklich macht. Bob erklärte uns, warum man in seinem Salon nicht mit EC- oder Kreditkarte bezahlen kann: Er liebt es, das Geld nach der Arbeit direkt in der Hand zu halten, um zu sehen, was er erarbeitet hat. Auch ihm merkte man richtig an, dass er seinen Beruf mit Liebe und Leidenschaft ausführt. Ich bin sehr froh, dass ich einen so netten und lebensfrohen Menschen kennen lernen durfte.

Aziesch …
Die nächste Station war das 2016 eröffnete AMP. Über den Club berichtete uns Aziesch. Er erzählte lange von seiner Jugend, u.a. dass er in der achten Klasse das Gymnasium wechseln musste und es cool fand, dass auf der neuen Schule auch Ausländer waren. In seiner Schulzeit blieben Konflikte auch nicht aus. In der elften Klasse wurde Aziesch dann aber klar, dass es so nicht weitergehen könne und er seinen Schulabschluss schaffen muss. Nach seinem Abitur studierte er Philosophie – sein Studium bezeichnete er als „das Wichtigste” in seinem Leben. So hat er sich u.a. zwei Wochen mit Kants „Kritik der reinen Vernunft“ befasst und das Werk mit Hilfe von Sekundärliteratur mühsam entschlüsselt. Sein Fazit: „Das hat mich an Philosophie voll geflasht. Logik. Erkenntnistheorie. Mit dem Kodex laufe ich auch heute durchs Leben!“

Durch Jobs als DJ landete er schließlich in der Nachtszene und rutsche durch Zufall in das Projekt AMP. Das AMP sollte eine Mischung aus Bar und Diskothek werden. Hier wird auch jeden Tag frisch gekocht. Aziesch erzählte viel von seinem Leben und auch von seiner Mutter Nadia Qani. Nadia hat ihre interessante Lebensgeschichte in einem Buch veröffentlicht und ist für ihre Leistungen sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Sie hat in Afghanistan studiert und sich in Deutschland nach ihrer Flucht von der Putzfrau zur Unternehmerin hochgearbeitet. An Aziesch fand ich toll zu sehen, dass man mit Mut, Entschlossenheit und einer guten Einstellung zum Leben einen glücklichen Platz im Leben einnehmen und ausfüllen kann.

Thomas …
Anschließend stand ein Besuch in der Freitagsküche an, wo wir auch zu Mittag gegessen haben. Thomas von der Freitagsküche erklärte uns, dass diese als reines Spaßprojekt gestartet sei, zunächst in einem Atelierhaus, das vor dem Abriss stand, dann in verschiedenen anderen Raumsituationen. Jeden Freitag wurde ein anderer Gastkoch eingeladen. Seit 2004/05 funktioniere die Freitagsküche als Supperclub – als Restaurant für einen Tag mit wechselnden Köchen. Durch die Verbindung von künstlerischen Veranstaltungen und Küche habe die Freitagsküche allmählich die Aufmerksamkeit der etablierten Kulturszene auf sich gezogen, es folgten Einladungen u.a. nach Pankow, nach Berlin zum Theater-Festival „100 Grad“ und der Ruhrtriennale. Regelmäßig findet man die Freitagsküche auch auf den KunstFestSpielen in Herrenhausen.

Schon seit längerem wird in Frankfurt von Montag bis Freitag in festen Räumlichkeiten in einer offen einsehbaren Küche gekocht. Die Freitagsküche setzt auf Überraschung. Daher gibt es jede Woche eine neue Karte mit anderen Gerichten. Uns hat es super geschmeckt!

Last but not least – David …
Zu guter Letzt sind wir zum Club Michel gegangen. Der Club lag etwas verschachtelt im ersten Stock eines Wohngebäudes im Bahnhofsviertel und war von außen nicht gleich als Restaurant zu erkennen. Dort kann man von Mittwoch bis Samstag abends zum Essen hingehen, es steht dann ein festes Menü zur Verfügung. Der Besitzer David hatte nach seinem Studium zunächst Werbefilme gedreht. Der Einstieg ins Kochen erfolgte mit einer guten Freundin über einen Essens-Service. Man kochte viel mit Freunden für Freunde, dann wurden Räume für ein Restaurant gefunden. David sagte, dass unter den Besuchern jetzt viele Banker*innen und Versicherungsleute seien. Der Club könne aber auch zum Feiern gemietet werden. Auch hier fand ich wieder schön zu sehen, wieviel Liebe in den Club gesteckt wurde. Es herrschte eine sehr angenehme Stimmung, der Besitzer kam mir sehr ehrgeizig vor und das fand ich gut.

Allgemein fand ich den Tag sehr angenehm. Mir hat es sehr gut gefallen, dass uns Schüler*innen vermittelt wurde, an unseren Traum zu glauben. Und dafür nicht nur den einfacheren Weg zu gehen, sondern den schwereren, dafür aber auch viel schöneren. Noch dazu wurde uns gezeigt, dass man Ehrgeiz haben muss. Ich fand den Tag sehr spannend und bin dankbar, dass ich so nette Menschen kennenlernen durfte!

(Maya, Schülerin)

LINKS
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>> http://freitagskueche.de/
>> www.clubmichel.de/

 

Alle Fotos Sabine Matzen