Was haben Hermann Hesse, südkoreanische Schulen und meditierende Esoteriker*innen miteinander zu tun?

Genau! Sie sehen sich alle in die Strukturen moderner Leistungsgesellschaften eingebunden oder, sie distanzieren sich, wie letztgenannte, erfolgreich davon.
Die Schüler*innen der neunten Klasse erschlossen sich dieses abstrakte und doch so realitätsnahe Thema anhand einer kreativen Deutschstunde, die sich thematisch an Hermann Hesses Erzählung: „Unterm Rad“ orientierte. Dazu fanden sie sich im Fliegenden Künstlerzimmer ein, wo sie bereits von einer sehr motivierten, als Sportlehrerin verkleideten Künstlerin Janina erwartet und sogleich in zwei Gruppen aufgeteilt wurden.

Während sich die Gruppe der Sportler*innen gleichzeitig mit theoretischer und angewandter Anatomie beschäftigte, den Meniskus im eigenen Körperhaushalt richtig verortet und ordentlich gestreckt sah, ein Referat über systematische Sportologie in Windeseile heruntergespult wurde, jeder Ungelenkige gnadenlos mit einer 6 bestraft wurde; war zugleich auf der zweiten Seite des abgetrennten Zimmers ein ganz anderes Szenario zu beobachten, bzw. dank der qualmenden Räucherstäbchen – zu riechen.

Eine in lila gekleidete Esoterikerin (Die Deutschlehrerin Lisa Hertweck) lud die zweite Hälfte der Klasse in einen kuschligen „Mutterleib“ ein, wo sie inmitten der rosafarbenen Seidentücher mit orientalischem Tee empfangen wurden und mithilfe spekulativer Deutungskünste, – wobei Streifenhörnchen, Einhörner und Chakra-Karten ihren Einsatz fanden, – über die tiefgründigen Geheimnisse des Menschseins philosophierten. Für die geistreichen Wortbeiträge oder das ebenso faszinierende Schweigen erhielten alle natürlich eine 1.

Nach einem Gruppenwechsel wurde ein großes Plakat ausgerollt, auf dem sich die Schüler*innen ausgehend von der Inputaussage „Ich bin ich selbst“ im kreativen Freewriting übten. Nach der kurzen Dokumentation über den koreanischen Schulalltag, der für Freizeit und Spaß nahezu gar keinen Raum bietet, und der Reflexion über das soeben Erlebte, beurteilten die erleichterten Schüler*innen der GCLS: „Wir haben es schon echt gut hier. 15 Stunden am Tag zu lernen, das funktioniert gar nicht!“

Der anstrengende Lernexzess nach südkoreanischem Vorbild findet sich in den Vorstellungen einer erstrebenswerten Lernmoral definitiv nicht wieder; eine ausgleichende Balance zwischen Chillen und Lernen erscheint dann doch am attraktivsten.
Jessica Figlus